aus: junge Welt, 01.05.2003, Nr 100

Seit mehr als sechs Jahren verwandelt die sechsköpfige Ska-Band Tiefenrausch Konzert-"Räume in Hexenkessel", wie es auf ihrer Homepage heißt. Längst sind die Titel tief in die Hirne linker Partygänger gebrannt. Zwar ist deutschsprachiger Ska selten erheiternd, Tiefenrausch ist jedoch eine Ausnahme. Nicht zuletzt wegen der untergemischten Reggae- und Punkelemente. Außerdem sind die Texte anteilig auf Persisch oder Französisch verfaßt.

Dieser Tage werden erstmalig in der Geschichte der betont unkommerziellen Band 1000 in Eigenregie gepreßte CDs unter die Hörerschaft gebracht. Bezogen werden können sie gegen zehn Euro auf Konzerten oder via Internet. Der Titelsong "Roboterrevolution" verteidigt die Würde des Menschen gegen die kapitalistische Verwertungslogik: "Ein Roboter, der tanzt, das ist nicht erlaubt. Ist nicht ein Roboter für die Arbeit gebaut?"

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Song "Bürokratie": "In den Gängen der Amtsgebäude riecht es nach Erniedrigung. (...) Langsam schleicht der Minutenzeiger übers graue Ziffernblatt. Verzweifeltes Bitten stößt auf Bürokratensinn". In "Du und Ich" hingegen heißt es melancholisch "Ich denk' an dich die ganze Nacht. Ich denk an dich, wenn die Einsamkeit erwacht. Sogar Blumen hab' ich für dich geklaut, das hätt' ich mich sonst niemals getraut". Wie Tiefenrausch-Sänger Ludwig Westarp gegenüber jW resümiert, ist "gesellschaftspolitisches also ebenso zu finden wie Würstchenbudenromanzen".

Am Donnerstag nachmittag spielen Tiefenrausch im Rahmen des Mariannenplatzfestes in Kreuzberg zum Tanz auf, abends bringen sie ihre Saxophonläufe auf dem Humannplatz im Prenzlauer Berg unter die Leute. Ein Besuch des 1. Mai zahlt sich schon wegen ihnen aus. Ein weiterer Grund wäre die Poppunkband Mia, die im Vorfeld der revolitionären 1.-Mai-Demonstration auf dem Rosa-Luxemburg-Platz im Anifatruck auftreten wird. Danach soll es im Demozug zum Auswärtigen Amt gehen.

Andreas Siegmund-Schultze
www.tiefenrausch-ska.de